Am 8. Juni hat der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des Europäischen Parlaments seine Stellungnahme zur laufenden EU-Urheberrechtsreform abgestimmt. Es war die zweitwichtigste Abstimmung über dieses Projekt: Die Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss (JURI) wird im September folgen. Der Ausgang der Abstimmung zeigt: Jede Stimme zählt – wir müssen weiter kämpfen.
1. «Alternative Kompromisse» abgeschmettert
Letzte Woche habe ich vor dem Versuch von Pascal Arimont gewarnt, die Verhandler*innen der Fraktionen zu umgehen und seine eigenen katastrophalen „alternativen Kompromisse“ durchzuboxen. In Verhandlungen, die bis zur letzten Minute liefen, wurde dieser Versuch abgewehrt. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben und Druck auf Ihre Abgeordneten ausgeübt haben!
Was die umstrittenen Themen angeht, die diese „alternativen Kompromisse“ abdeckten, ging eine Abstimmung gut aus, die andere endete jedoch im Chaos:
2. Zensurmaschinen in Schach gehalten
Der Ausschuss lehnte Zensurmaschinen ab und einigte sich auf einen ausgewogeneren und vernünftigeren Kompromiss.
Im neuen Text, der ursprünglich von Michał Boni im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten vorgeschlagen wurde, fällt die Verpflichtung für Plattformen weg, Uploads von Nutzer*innen automatisiert auf Urheberrechtsverletzungen zu überwachen. Er stärkt auch die Rechte von Nutzer*innen, gegen die Löschung von Werken vorzugehen, die sie hochgeladen haben.
3. Keine Mehrheit für den Schutz der Linkfreiheit
Tragischerweise hat es der mit dem Verbraucherschutz betraute Ausschuss nicht geschafft, sich gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger auszusprechen. Dabei stößt dieses bei unabhängigen Experten auf einhellige Ablehnung, da es u.A. die Meinungsfreiheit beeinträchtigt.
Sozialdemokratische Abgeordnete aus Frankreich und Belgien lehnten sich gegen ihre eigene Verhandlungsführerin auf und eine Reihe von Abgeordneten, die diese Pläne ablehnen, fehlten: Die komplette Fraktion der Linken (GUE/NGL), die italienische Fünf-Sterne-Bewegung und einige Abgeordnete aus der EKR-Gruppe zogen es vor, der Abstimmung fernzubleiben, statt sich dem Angriff auf die Linkfreiheit entgegenzustellen. Das Ergebnis: Sämtliche Änderungsantrage fielen durch und keine der vorgeschlagenen Änderungen am desaströsen Kommissionsvorschlag erhielt eine Mehrheit.
Die Abwesenheit dieser Abgeordneten hatte gravierende negative Auswirkungen, nicht nur bei diesem Thema: Eine Reihe von Verbesserungen wurden mit knapper Mehrheit von nur einer oder zwei Stimmen abgelehnt – beispielsweise die Forderung, dass Kopierschutzmaßnahmen (DRM) Nutzer*innen nicht davon abhalten dürfen, Urheberrechtsschranken wie das Zitat- und Parodie-Recht zu nutzen.
4. Einschränkungen für Text und Data Mining drohen
Der Ausschuss will die moderne Forschungsmethode Text- und Datamining nur für eine kleinen Personenkreis erlaubt sehen. Die Abgeordneten schlugen zwar anders als die EU-Kommission vor, dass Einrichtungen des kulturellen Erbes dazu zählen sollen, aber das ist nicht genug. Es gibt keinen Grund, nicht auch Privatpersonen, Journalist*innen, Startups und anderen die Nutzung von Datamining zu ermöglichen.
Noch schlimmer ist, dass der Ausschuss nur die Analyse von Daten erlauben will, die „erworben“ wurden. Das wirft völlig unnötigerweise die Frage auf, ob das Datamining von Inhalten, die im Netz frei verfügbar sind, denn nicht erlaubt sei.
5. Zunehmende Übereinstimmung, Nutzergenerierte Inhalte zu legalisieren
Der Ausschuss nahm einen ursprünglich aus dem Kulturausschuss stammenden Vorschlag an, der zeitgenössische Kulturtechniken wie Reaction-GIFs, Memes, Lipdubs und andere Formen von nutzergenerierten Inhalten in Europa legalisieren würde.
Er verlangte ebenso, die Panoramafreiheit europaweit zu erlauben – also das Recht, selbstgemachte Bilder von öffentlichen Plätzen frei verbreiten zu dürfen. Dies ist eine Forderung, die über eine halbe Million Menschen vor zwei Jahren in einer Petititon erhoben hatten.
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Das Ergebnis demonstriert, wie knapp es in diesem Kampf steht: Ob das Urheberrecht in der EU auf Jahre hin vermasselt wird, ob Zensurmaschinen installiert werden sollen, ob wir noch die Freiheit haben, zu verlinken, ob Forschungsmethoden für alle zugänglich sein werden: Das wird von jedem einzelnen Mitglied des Parlaments und von jeder einzelnen Stimme abhängen – eine einzige Abwesenheit kann das Ergebnis kippen.
Dies muss ein Weckruf für alle sein, die sich um Internetfreiheiten sorgen und ein sinnvolles Urheberrecht wollen, ihre Anstrengungen zu verstärken.
Kontaktiert weiter Eure Abgeordneten! Erklärt weiter die Hintergründe besonders denjenigen Abgeordneten, die keine Expert*innen auf diesem Gebiet sind, und die ansonsten zu leicht von Industrielobbyisten beeinflusst werden können. Kommentiert unter Artikeln, die sie online teilen, dass dies genau jene Art von Handlung ist, die sie mit ihren politischen Forderungen einschränken wollen. Fragt sie, ob sie tatsächlich der Ansicht sind, mit einem Link auf eine Zeitung wirtschaftlichen Schaden verursacht zu haben. Und verlangt von progressiven Abgeordneten, dass sie sich einbringen.
Wichtige Abstimmungen zur Freiheit des Internets zu schwänzen ist unentschuldbar! Tweet this!
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.
Liebe Frau Reda! Danke für Ihre Arbeit, hoffentlich können wir Ösis euch mal ein*e Kolleg*in zur Seite stellen. Ich wähle Piraten, seit ihr auch in Österreich antretet und finde, ihr seid die einzige echte Alternative! Weiter so! Lg Ernst Spitaler