»Von einem Aus für Ländergrenzen im Netz kann hier keine Rede sein: Einen gemeinsamen digitalen Binnenmarkt verwirklicht die vorliegende Strategie nicht«: So beurteilt Julia Reda, die Europaabgeordnete der Piratenpartei, den Entwurf der digitalen Binnenmarktstrategie der EU-Kommission, der gestern im Netz auftauchte (via Politico).
»Die Ambition, ›nationale Silos im Urheberrecht abzubauen‹, ist einem mutlosen politischen Kuhhandel gewichen: Lückenhafte Maßnahmen gegen Geoblocking sollen offenbar mit verschärftem Einsatz gegen Urheberrechtsverstöße ›abgegolten‹ werden. Bei einem Thema, bei dem sich Europäerinnen und Europäer zu Tausenden für eine gesamteuropäische Lösung ausgesprochen haben, derart vor dem Druck der Industrie in die Knie zu gehen, ist ein schwerer Fehler!«
Wir brauchen nicht bloß ›Netflix-Roaming‹, sondern ein freies Netz ohne Grenzen! Tweet this!
»Die Praxis, Menschen innerhalb Europas je nach Herkunftsland von digitalen Inhalten auszusperren, muss ein Ende haben. Im Dokument wird von herzustellender ›Portabilität‹ legal gekaufter Inhalte gesprochen. Dieser Vorschlag geht aber völlig am Problem vorbei, dass Inhalte in vielen EU-Ländern gar nicht legal gekauft werden können. Viele Streamingseiten wie Youtube sind durch Werbung finanziert; oder im Falle der Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunksender durch Steuern oder Gebühren. Legal gekaufte Inhalte über Grenzen mitnehmen zu könnnen wird aber nichts daran ändern, dass diese Inhalte weiterhin ›in deinem Land nicht verfügbar‹ sind. Geoblocking soll weiterhin erlaubt sein, ›wenn die Kosten für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zu hoch wären
. Wir brauchen aber nicht bloß ›Netflix-Roaming‹, sondern ein diskriminierungsfreies, grenzenloses Netz! Kulturelle und sprachliche Minderheiten dürfen etwa nicht länger technisch davon abgehalten werden, an Kulturangeboten aus anderen Ländern teilzuhaben. Offline ist der grenzüberschreitende Austausch bereits heute das Kernprinzip der EU, eine diskriminierende Praxis wie Geoblocking wäre da illegal. Die gleichen Freiheiten wie offline müssen endlich auch online gelten.«28 Urheber- rechte in der EU – das versteht kein Mensch. Tweet this!
»Bleibt es bei diesem Entwurf, werden wir weiterhin 28 unterschiedliche Urheberrechte in der Union haben. Ohne zumindest die Urheberrechtsschranken zu harmonisieren, lässt sich kein digitaler Binnenmarkt herstellen. So wird es weiterhin in manchen Mitgliedsstaaten illegal bleiben, ein selbst aufgenommenes Foto eines Wahrzeichens ins Netz zu stellen – das versteht kein Mensch. Der Alltag im Netz wird weiterhin von Rechtsunsicherheit erschwert – etwa beim Teilen von Links oder bei modernen Kulturtechniken wie Bild- und Videozitaten. Die 28 Regelwerke werden auch weiterhin Hürden für europäische Startups darstellen, deren Bedeutung die Kommission an anderer Stelle im Dokument noch hervorhebt – und ebenso für Kulturinsitutionen wie Bibliotheken und Archive.«
»Urheberrechtsverstöße werden in dem Papier hingegen in einem Atemzug mit terroristischen Inhalten und dokumentiertem Kindesmissbrauch genannt. Die Kommission zieht anscheinend in Betracht, Onlineplattformen zur aktiven Überwachung von Nutzerinhalten zu verpflichten. Dieser Ansatz würde nicht nur die Menschenrechte online weiter aushöhlen, sondern auch die Kosten für die Entwicklung neuer Onlineplattformen derart in die Höhe treiben, dass der Markt einigen wenigen Großunternehmen überlassen bliebe.«
»Um die Chance auf einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt nicht zu verspielen, muss die EU-Kommission an dieser Strategie noch viel nachbessern. Hoffentlich ist der im Dokument enthaltene Vermerk ›Hier werden noch Nachweise benötigt‹ nicht Hinweis darauf, dass bis zur Präsentation am 6. Mai nur mehr an der Rechtfertigung der Pläne gearbeitet wird.«
Julia Reda ist Berichterstatterin des EU-Parlaments für die Evaluierung der Urheberrichtslinie von 2001. Ihr Bericht wird am 6. / 7. Mai im Rechtsausschuss und voraussichtlich am 10. Juni im Plenum des Parlaments abgestimmt.
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.