Soll die EU ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einführen, das unsere Freiheit einschränkt, Links zu Nachrichten zu teilen? Die Kontroverse darüber geht gerade im Rat in die nächste Runde, wo die Regierungen der Mitgliedsstaaten um eine gemeinsame Position ringen.
In der fachlichen Expertengruppe sind die Mitgliedsstaaten daran gescheitert, einen Konsens zu finden. Nun müssen Politiker*innen ran: Das Thema wurde für Mittwoch, 31.1. auf die Agenda des Treffens der „ständigen Vertretungen“ der Mitgliedsstaaten, also ihrer EU-Botschafter, gesetzt.
Die bulgarische Ratspräsidentschaft bewirbt dort einen vermeintlichen neuen Kompromissvorschlag, statt wie ihre estnischen Vorgänger zwei verschiedene Optionen vorzulegen.
Bei genauerem Hinsehen kommt einem der „Kompromiss“ jedoch verdächtig bekannt vor. Mit Ausnahmen für kürzeste Textschnipsel und für nicht-gewerbliche Verwendungen durch Privatpersonen, sowie einer kürzeren Schutzfrist als ursprünglich von der Kommission gefordert, sieht der Vorschlag nun dem deutschen Leistungsschutzrecht zum Verwechseln ähnlich. Genau jenem Leistungsschutzrecht, das in den Augen praktisch aller Expert*innen kläglich gescheitert ist.
Die Art und Weise, wie kurze Ausschnitte ausgenommen werden sollen, würde den estnischen Vorschlag tatsächlich sogar noch verschlechtern: Durch die fehlende Schöpfungshöhe würden längere, unkreative Texte wie Tabellen von Sportergebnissen oder automatisch generierte Texte unter das Leistungsschutzrecht fallen, die aktuell aus gutem Grund keinen Urheberrechtsschutz genießen.
Schlecht für Deutschland – gut für Europa?
Kurzer Rückblick: Jahre nach der Einführung bleiben Mehreinnahmen durch das deutsche Leistungsschutzrecht weiterhin aus. Der Journalistenverband resümiert: „Am besten abschaffen“.
Erst unlängst haben zwei unterschiedliche Studien für bzw. durch EU-Institutionen bestätigt, dass das Leistungsschutzrecht unwirksam und unangebracht ist:
- Keine*r der für eine Studie fürs EU-Parlament befragten Herausgeber*innen oder Verleger*innen aus Deutschland hielt das Leistungsschutzrecht für eine gute Idee. Die Studie fand „kaum Beweise dafür, dass schwindende Zeitungsumsätze irgendetwas mit dem Angebot von Nachrichtenportalen oder Suchmaschinen zu tun haben“.
- Das Leistungsschutzrecht entpuppte sich als ökonomisch wertlos, stellte die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission fest. Es sei empirisch belegt, dass Nachrichtenseiten davon profitieren, wenn Plattformen Links auf diese Seiten mit Anreißern bewerben, so die Studie.
Von langer Hand so geplant?
Was Bulgarien jetzt vorschlägt, ist genau, was die deutschen Verlagslobbys von Anfang an erreichen wollten: Das deutsche Leistungsschutzrecht auf EU-Ebene zu heben. Der Verdacht drängt sich auf, dass die maßlosen Übertreibungen des Kommissionsvorschlags nur deshalb eingefügt wurden, um am Ende das deutsche LSR als vernünftigeren „Kompromiss“ darstellen zu können.
Aber das in Deutschland gescheiterte Gesetz europaweit umzusetzen ist kein „Kompromiss“ – sondern Irrsinn.
Warum fordert die Lobby ein gescheitertes Gesetz? Erst unlängst plauderten sie die wahre Intention dahinter aus: Der Plan ist gar nicht, ihnen angetanes Unrecht wieder gut zu machen, oder für Mehreinnahmen zu sorgen. Sie verfolgen vielmehr die Absicht, Grundfunktionen des Internets zu beschneiden und Innovation auszuschalten in der Hoffnung, so jene Kontrolle über die Verbreitung von Nachrichten zurückzuerlangen, die sie einst innehatten.
Die vernünftige Alternative zu diesem Angriff auf das Internet ist weiterhin die „Vermutungsregel“, die die bulgarische Ratspräsidentschaft unter den Tisch fallen lassen will: Ein Gesetz, das Verlegern bei der Durchsetzung der Urheberrechte an ihren Artikeln helfen würde, ohne die Linkfreiheit einzuschränken.
Grünes Licht für Zensurmaschinen
Die Bulgaren treiben auch den anderen kontroversiellen Urheberrechtsvorschlag voran: Den Plan, alles, was du im Netz hochlädst, durch Zensurmaschinen überwachen zu lassen (Artikel 13).
Statt die grundrechtsgefährdenden Uploadfilter zu hinterfragen, wollen sie im Gesetz die Kritieren für „öffentliche Wiedergabe“ neu definieren, und damit, was alles als Urheberrechtsverletzung zählt. Das wäre eine radikale Änderung, wie das Urheberrecht im Netz funktoniert – ohne auch nur annähernd die Folgen davon abgeschätzt zu haben.
Im Europaparlament haben sich Mitglieder aller Fraktionen gegen Uploadfilter ausgesprochen. Aus einigen Mitgliedsstaaten wurden ähnliche Bedenken laut. Wir dürfen es der bulgarischen Ratspräsidentschaft nicht durchgehen lassen, die vernünftigen Alternativen zu den Kommissionsvorschlägen einfach so fallen zu lassen!
Die Standpunkte der Mitgliedsstaaten
Hier mein Wissensstand zu den Standpunkten der einzelnen Mitgliedsstaaten im Rat:
Noch bleibt Zeit, auf nationaler Ebene auf diese Pläne aufmerksam zu machen und deine Regierung zu lobbyieren!
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.