Gestern fand die vorletzte Runde der „Trilog“-Verhandlungen statt, in denen der endgültige Wortlaut der neuen EU-Urheberrechtsverordnung festgelegt werden soll. Nach wie vor auf der Agenda: Der wild umstrittene Artikel 13, der Internetplattformen für Urheberrechtsverletzungen ihrer User haftbar machen und sie zur Einrichtung von Uploadfiltern verdonnern soll. Ich veröffentliche wie immer die aktuellen Trilog-Verhandlungsdokumente: Artikel, Erwägungsgründe.

Die Front für Artikel 13 bröckelt

Im Vorfeld der Verhandlungen sorgte ein Lobbybrief von Filmverbänden und Sportligen für Aufregung. Die Botschaft: Die Absender sind überzeugt, dass die aktuellen Entwürfe von Artikel 13 sowohl vom Parlament als auch vom Rat am Ende nur den großen Plattformen nützen würden – und wollen daher lieber gar nichts mehr mit dem ganzen Projekt zu tun haben. Sie fordern, dass ihre Branchen explizit vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden – sofern nicht der höchst unwahrscheinliche Fall eintritt, dass beide EU-Institutionen ihre ganze Arbeit der letzten Jahre fallen lassen und zum Kommissionsvorschlag von 2016 zurückkehren.

Damit strafen sie jene Medienlobbys Lügen, die im September viele Abgeordnete von Artikel 13 überzeugten, indem sie – unter der Behauptung, für „die europäischen Kreativschaffenden“ generell zu sprechen – beteuerten, das Gesetz sei nötig (auch oder gerade in der Parlamentsversion), um nichts weniger als „die Kultur zu retten“. Dieser Brief lässt nun die Befürworter von Artikel 13 ratlos zurück: Warum wollen jene, die wir mit dem Gesetz doch retten wollten, plötzlich nichts mehr davon wissen?

Das ist nun also das Ergebnis von zwei Jahren Debatte und Verhandlungen:

  • Wähler*innen hassen Artikel 13: Die Petition dagegen bricht alle Rekorde und nähert sich rasant der Marke von 4 Millionen Unterschriften
  • Junge Kreativschaffende sehen davon ihren Lebensunterhalt bedroht: Das legt beispielsweise Julien Bam in diesem Rap dar
  • Kleinere Internetplattformen warnen, der Artikel würde das Netz ruinieren
  • Und jetzt sind also sogar einige der beabsichtigten Nutznießer dagegen
  • Unabhängige Wisschenschafter*innen und Expert*innen üben ja bereits seit Jahren schärfste Kritik

Niemand kann mehr glaubhaft abstreiten: Artikel 13 war von Anfang an eine Fehlkonstruktion. Statt ein spezifisches, gut definiertes Problem mit einer wohlüberlegten Lösung aus der Welt zu schaffen, wollten Politiker*innen das Urheberrecht missbrauchen, um die Machtverhältnisse zwischen einigen großen Industrien neu zu regeln – ohne Rücksicht auf Kollateralschäden. Dass das nicht gut gehen kann zeigt sich daran, dass die Verhandlungen alles nur noch verwirrender gemacht haben, statt zu einem sinnvollen Kompromiss zu führen, mit dem alle Seiten leben können.

Wie weiter?

Wenn das von Artikel 13 zu lösende Problem ist, dass YouTube der Musikindustrie zu wenig Geld zahlt, dann gibt es dafür eine Lösung: Lasst uns Plattformen, auf denen Musik-Urheberrechte häufig verletzt werden, dazu verpflichten, Lizenzen von Verwertungsgesellschaften einzuholen – und im Gegenzug die moderne Remix- und Fankultur legalisieren. Das ist möglich, ohne dem Irrglauben aufzusitzen, dass Uploadfilter mehr Probleme lösen, als sie schaffen – und ohne innovativen Startups sowie Plattformen, die gar kein Problem mit Urheberrechtsverletzungen haben, untragbare Lasten aufzubürden.

Wenn wir uns hingegen nicht einmal einig sind, dass das der wahre – und ein legitimer – Grund für die Existenz von Artikel 13 ist, dann gibt es nur mehr einen vernünftigen Ausweg: Lasst uns Artikel 13 gänzlich fallen lassen und die Verordnung zurück zum Start schicken.

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

Ein Kommentar

  1. 1

    Danke Julia!