Die anstehende EU-Urheberrechtsreform wurde (wieder einmal) verschoben, diesmal auf September, um der Europäischen Kommission Zeit zu geben, Feedback zu zwei konkreten Fragestellungen zu sammeln, bei denen sie unschlüssig ist:
- Panoramafreiheit: Soll es erlaubt sein, Fotos vom öffentlichen Raum zu machen und diese dann zu nutzen und zu teilen, ohne dass deine Fotosharing-App oder du selbst sich vor Abmahnungen fürchten müssen?
- Zusätzliche Urheberrechte für Verlage: Nachdem die Versuche, Google News für die Verlinkung von Verlagsinhalten zur Kasse zu bitten, in Deutschland und Spanien nach hinten losgegangen sind, haben die Verlage den Druck nochmal erhöht: Die Idee eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger ist nun auf EU-Ebene in einer noch krasseren Fassung auf dem Tisch. Sollen Verlage zusätzliche Kontrolle darüber erhalten, wie auf ihre Inhalte verlinkt wird und wie sie konsumiert werden dürfen?
Weiter unten erkläre ich beide Fragestellungen im Detail.
Beantworte die Konsultation jetzt!
Der Link führt zu einer Ausfüllhilfe der Copyright4Creativity-Allianz. Alternativ kannst du das neutrale Interface der Kommission verwenden.
Du kannst dir aussuchen, ob du Fragen zu beiden Themen beantworten willst oder nur zu einem.
Benötigte Zeit: ab 10 Minuten
Deadline: 11. Juni – aber mach’s am besten jetzt gleich!
Panoramafreiheit
Sollen selbst gemachte Fotos des öffentlichen Raums frei verwendbar sein? Tweet this!
Status Quo:
Architektur und Kunstwerke im öffentlichen Raum (z. B. Statuen oder Fassadengestaltungen) sind urheberrechtlich geschützt – bis 70 Jahre nach dem Tod der Architekt*in oder Künstler*in. In der Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten gibt es sog. Panoramafreiheitsschranken vom Urheberrecht, damit du sorglos Aufnahmen im öffentlichen Raum machen und beliebig verwenden kannst. In der anderen Hälfte (unter anderem in Frankreich, Belgien und Italien) kann es sein, dass du – oder die Plattform, auf der du solche Bilder veröffentlichst – erst herausfinden müssen, wem überhaupt die Rechte gehören, um dann nach Erlaubnis zu fragen.
Berühmte Beispiele von Gebäuden, von denen du nicht einfach ohne darüber nachzudenken Fotos machen kannst, sind der Eiffelturm bei Nacht (die Beleuchtung ist urheberrechtlich geschützt), die Statue der kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen oder die Gebäude der europäischen Institutionen in Brüssel selbst.
Unter dem Druck von 555.223 Menschen und einer Vielzahl von Berufsverbänden Kulturschaffender, die sich letztes Jahr meinem Kampf anschlossen, die Panoramafreiheit auf ganz Europa auszudehnen, will die Europäische Kommission jetzt von dir wissen, wie dringlich dieses Anliegen tatsächlich ist.
Wie es dich betrifft:
- Kreativberufe stützen sich auf die Panoramafreiheit: Wenn du eine Straßen- oder Pressefotograf*in oder eine Dokumentarfilmer*in bist, ist die Abbildung urheberrechtlich geschützter Werke im öffentlichen Raum ziemlich sicher Teil deiner Arbeit.
- Die Rechtmäßigkeit deiner Urlaubsfotos ist zweifelhaft: Wenn du ein Foto auf eine Plattform wie Facebook oder Instagram hochlädst, räumst du ihr damit das Recht ein, es “gewerblich zu nutzen” (und zwar indem es auf deinem Profil auf der werbefinanzierten Plattform angezeigt wird). In Ländern ohne Panoramafreiheit bist du aber selbst gar nicht dazu berechtigt, diese Nutzung zu erlauben.
- Webseiten, die du benutzt, sind ohne Panoramafreiheit schlechter: Wikipedia kann etwa Artikel über Gebäude in einigen Ländern nicht bebildern, da auf ihr nur uneingeschränkt nutzbare Bilder veröffentlicht werden können.
Wichtige Fragen:
- Frage 1 – Probleme: In der Konsultation wird gefragt, ob du aufgrund fehlender Panoramafreiheit schon mal Probleme hattest. Selbst wenn du noch nie von zornigen Rechteinhaber*innen kontaktiert wurdest, bedenke die obigen Beispiele: Unsicherheit darüber, welche alltäglichen Handlungen legal sind, oder eingeschränkter Zugang zu relevanten Informationen sind ebenfalls echte Probleme.
- Frage 3 – Deine Nutzung: Falls du jemals ein Foto von einem Gebäude hochgeladen hast, von dem du dir nicht sicher bist, ob die Architekt*in schon 70 Jahre tot ist, dann ist die korrekte Antwort auf diese Frage „Ja, auf der Grundlage einer Ausnahme“.
- Fragen 5 und 6 – Gewerblich oder nicht-gewerblich? Alle oben genannten Probleme würden auch dann bestehen, wenn die Panoramafreiheit nur für „nicht-gewerbliche” Nutzung” erlaubt wäre: Dokumentarfilme sind gewerbliche Unternehmungen, Instagram ist eine gewerbliche Plattform und Wikipedia kann Bilder nur nutzen, wenn sie auch zur gewerblichen Nutzung freigegeben sind (auch wenn Wikipedia selbst nicht-gewerblich ist, ist es einer ihrer Grundsätze, nur Inhalte zu verbreiten, die völlig frei – also auch gewerblich – weiterverwendbar sind).
Beantworte die Konsultation jetzt – oder lies weiter über das zweite Thema:
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Zusätzliche Urheberrechte für Verlage
Sollten Verlage zusätzliche Rechte erhalten, mit denen sie mehr Kontrolle über unseren Online-Nachrichtenkonsum haben?Tweet this!
Status Quo:
Im Internetzeitalter finden und konsumieren Menschen Nachrichten (und andere Inhalte) auf vielfältige Art und Weise, etwa in sozialen Netzwerken oder über Aggregatoren – und die ganz ohne Verlage veröffentlichten Inhalte explodieren. Traditionelle Verlage haben so ein Stück ihrer Kontrolle darüber verloren, wie Menschen Informationen konsumieren. Mit Hilfe der Politik wollen sie diese Kontrolle nun wiedererlangen.
In Deutschland und Spanien überzeugten Verleger*innen den Gesetzgeber von einem Versuch, Google für das Privileg zur Kasse zu bitten, Traffic für ihre Webseiten zu generieren. Das Leistungsschutzrecht ging nach hinten los: Kein Verlag (ganz zu schweigen von den Journalist*innen) sah einen einzigen zusätzlichen Cent, da die Aggregatoren statt zu zahlen offline gingen oder freie Lizenzen von den Verlagen erhielten, nachdem diese sich mit sinkenden Zugriffszahlen konfrontiert sahen. Statt der erwünschten Mehreinnahmen schränkte dieser Angriff auf die Freiheit des Hyperlinks Leser*innen ein und schreckte Startups davon ab, mit Google in Konkurrenz zu treten und innovative Wege zu entwickeln, Menschen zu informieren.
Das hielt EU-Kommissar Oettinger nicht davon ab, die Einführung dieser fehlgeschlagenen Idee auf EU-Ebene zu erwägen – allen Gegenargumenten zum Trotz. Letztes Jahr vereitelte ich gleich mehrere Versuche, diesen Plan meinem Urheberrechtsbericht hinzuzufügen. Ich versammelte ein Bündnis von 83 Europaabgeordneten, die die Kommission dazu drängten, das Vorhaben fallen zu lassen. Selbst einige Verlage warnten, dass dieser Plan für sie negative, anstatt positiver Folgen haben würde. Auf meine Initiative hin warnte das Europäische Parlament davor, dass “durch die Einführung neuer Verpflichtungen zur Quersubventionierung bestimmter veralteter Geschäftsmodelle Marktverzerrungen oder Hemmnisse für den Markteintritt von Online-Diensten geschaffen werden könnten”. Aber die Verlage haben nicht aufgegeben.
Zur gleichen Zeit findet ein Rechtsstreit zwischen Verlagen und Autor*innen statt: Wenn du ein Kopiergerät kaufst, beinhaltet der Preis eine Abgabe an eine Verwertungsgesellschaft, die dazu gedacht ist, einen theoretischen Einkommensverlust von Rechteinhaber*innen durch deine künftige Kopiertätigkeit abzugelten. In einem kürzlich ergangenen Urteil stellen die Gerichte in Frage, ob Verlage das Recht an dem Teil dieses Geldes haben, den sie momentan erhalten – oder ob die Einnahmen komplett an die Autor*innen gehen sollten. Die Verlage waren nicht erfreut.
Das Zusatzrecht, das die Verlage verlangen – jetzt unter dem Namen “verwandtes Schutzrecht für Verleger” – wäre eine mächtige Waffe in beiden Kämpfen: Sie könnten damit mehr Kontrolle darüber ausüben, wie Inhalte im Web geteilt werden, und einen Teil der Einnahmen aus Kollektivlizenzen für sich reklamieren.
Es handelt sich um nichts anderes als eine Neuauflage das fehlgeschlagenen Leistungsschutzrechts. Neue Gesetze sollen alte Geschäftsmodelle erhalten und den Fortschritt stoppen. Es widerspricht diamentral dem Ergebnis der letzten Konsultation über das Urheberrecht: Wir müssen es einfacher und für Laien verständlicher machen, nicht noch komplexer und weitreichender.
Wie es dich betrifft:
- Es steht auf dem Spiel, wie du Artikel heutzutage findest, liest und teilst: Aggregatoren wie Google News oder Rivva, Apps die mehrere Quellen kombinieren wie Flipboard oder Apple News, optimierte Leseansichten in Webbrowsern, „Später lesen“-Dienste und Werbeblocker, das Teilen von Links in sozialen Netzwerken – all dies könnte zunehmend der vorherigen Zustimmung von Verlagen bedürfen und Lizenzabkommen benötigen. Solche Dienste zu verwenden könnte für dich rechtlich fragwürdig, unmöglich oder teurer werden.
- Es wird weniger innovative Arten der Berichterstattung geben, wenn Lizenzkosten und rechtliche Risiken Startups abschrecken und neue Arten von Onlinemedien verhindern.
- Die Vielfalt könnte abnehmen, wenn weniger bekannte Verlage sich nicht mehr auf Aggregatoren verlassen können, um neue Zielgruppen zu erreichen und um auf Augenhöhe mit den Großen zu konkurrieren.
- Unterhaltungselektronik könnte teurer werden, wenn die Verlage auf einen Teil der Einnahmen aus Urheberrechtsabgaben bestehen und gleichzeitig ihr Versprechen wahrmachen, dass ein neues Schutzrecht nicht zu einer geringeren Vergütung für Autor*innen führen würde.
- Bibliotheken könnten darin eingeschränkt werden, ihren Leser*innen individuelle Leselisten mit Artikelausschnitten zusammenzustellen.
- Die freie Veröffentlichung von Forschungsergebnissen ist bedroht, wenn diese Rechte auch für wissenschaftliche Verlage gelten und damit bestehende Open Access-Regelungen beeinträchtigt werden, wie zum Beispiel das Recht der Autor*innen in manchen Ländern, ihre eigenen Artikel auf ihren Webseiten frei zu veröffentlichen.
Wichtige Fragen:
- Die ersten vier Fragen betreffen ausschließlich die Verlage, du kannst sie mit “nicht relevant” beantworten.
- Fragen 5 bis 14 haben zwei Komponenten:
- Auswirkungen auf die Beteiligten: Bewerte die möglichen Auswirkungen auf Autor*innen, andere Rechteinhaber*innen, Forscher*innen und Bildungseinrichtungen, Dienstleister*innen und Konsument*innen.
- Presseverlage oder sämtliche Verlage? Die ersten drei der oben genannten Punkte treffen speziell auf Presseverlage zu, die letzteren besonders, falls das Recht auf alle Verlage ausgedehnt wird.
- Frage 15 – Wie beeinflusst dich das Leistungsschutzrecht? Wenn du in Deutschland lebst, kannst du der Kommission hier deine Sicht auf die Auswirkungen des Leistungsschutzrechts mitteilen.
Beantworte jetzt die Konsultation!
Sag es weiter
Wir haben die Europäische Kommission dazu gebracht, zu diesen beiden wichtigen Bestandteilen der Urheberrechtsreform ihre Ohren zu öffnen. Jetzt muss unsere Antwort unüberhörbar sein – sie wird den Reformvorschlag, den wir für September erwarten, unmittelbar beeinflussen. Wir alle werden von diesen Gesetzen betroffen sein. Daher: Bitte weitersagen!
Die EU will wissen: Soll der öffentliche Raum lizenzfrei sein? Sollen Verlage mehr Kontrolle über das Internet erhalten? Tweet this!
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.
Typisch EU Umfrage. Die Fragen lesen sich flüssig wie deutsche Gesetzestexte.