Am 15. Juli habe ich Jean-Claude Juncker das Mandat erteilt, eine Kommission zu bilden. Heute stimme ich im Plenum gegen seine Kommission – denn sie wird den Ankündigungen und Erwartungen schon jetzt nicht gerecht.

Kaum Lichtblicke in der Netzpolitik

Binnen 6 Monaten werde er u.A. eine Urheberrechtsreform in die Wege leiten, kündigte Juncker in seinem Prioritätenpapier an. Die Zuständigkeit dafür liegt in der neuen Kommission erfreulicherweise erstmals bei der Internet-Generaldirektion (statt beim Binnenmarkt). Doch der designierte Kommissar Günther Oettinger gibt sich zaghaft: Er spricht vom „nächsten Jahr“ oder von der „ersten Hälfte der Legislaturperiode“, von weiteren Anhörungen und davon, nichts überstürzen zu wollen. Seine Worte zur Urheberrechtsreform sind weitaus weniger überzeugend als jene seiner Amtsvorgängerin Neelie Kroes, die deutlich für ein rasches Handeln appellierte.

Oettinger gab seit seiner Nominierung bereits mehrfach Anlass zur Skepsis, ob er den Aufgaben des Kommissars für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft gewachsen ist. Seine Aussage zu den intimen Fotos von Prominenten war nicht nur in Hinblick auf den Datenschutz bedenklich. Den Parlamentsbeschluss zur Netzneutralität unterstützt er nicht, dafür aber Netzsperren in Frankreich, um die Welt u.A. vor „Anarchisten“ zu schützen.

Sein Kollege Andrus Ansip, der designierte Vizepräsidenten für den digitalen Binnenmarkt, gab eine bessere Figur ab und nahm erfreulicherweise meinen Vorschlag auf, bereits jetzt den Dialog mit der Internetcommunity zu beginnen. Wie jedoch das Zusammenspiel zwischen Oettinger, der einer Beamt*innenschar vorsteht, und dem weitaus ressourcenärmeren Vizepräsidenten in der Praxis funktionieren wird, muss sich erst zeigen.

Juncker versprach eine zügige Verabschiedung der Datenschutzverordnung. Im Rahmen der Kommissionsanhörungen wurden dazu viele Lippenbekenntnisse abgegeben. Doch auf konkrete Vorschläge, wie die Blockade im Rat durchbrochen werden soll, warteten wir vergeblich.

Unerfüllte Transparenzversprechen

Juncker hatte ankündigt, den Vertragstext des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP zu veröffentlichen. Das einzige, was seitdem publiziert wurde, ist das Verhandlungsmandat – das keine 20 Seiten umfasst und bereits Monate zuvor geleakt war. Die designierte Handelskommissarin Malmström weckte keine Hoffnungen auf eine baldige Veröffentlichung des Textes. Die allem Anschein nach vom Büro Juncker verfasste Feststellung, dass der Investorenschutz vor privaten Schiedsgerichten „klarerweise kein Teil des Abkommens“ sein könne, strich Malmström aus der Letztversion ihres Briefes an das Parlament. In der Antrittsrede der Kommission im Parlament kündigte Juncker heute früh nur noch an, es werde keinen Investorenschutz in TTIP geben, wenn sein Stellvertreter Frans Timmermans damit nicht einverstanden sei. Die politische Verantwortung für diese wichtige Frage schiebt Juncker nun also von sich. Die holländische Regierung, der Timmermans bis heute angehört hat, hat ISDS außerdem stets verteidigt.

Fehlbesetzungen

Auch in anderen Bereichen haben die Besetzungen des „Team Juncker“ keine Zustimmung verdient:

  • Tibor Navracsics wird für Bildung und Kultur zuständig sein, obwohl er in Ungarn als Mitglied der Orbán-Regierung daran beteiligt war, die Pressefreiheit einzuschränken.
  • Miguel Arias Cañete war bis kurz vor seiner Nominierung als Energiekommissar finanziell an Ölfirmen beteiligt, die auch weiterhin großteils in der Hand seiner Familienmitglieder sind. Außerdem hatte er im Wahlkampf eine Mitbewerberin sexistisch beleidigt.
  • Jonathan Hill wollte als designierter Kommissar für den Finanzmarkt und die Bankenunion in der Befragung vor dem Parlament nicht offenlegen, welche Unternehmen und Banken Kunden seiner Beratungsfirma waren.

Trotz der Bemühungen von Juncker, Mitgliedstaaten zur Nominierung von Frauen zu bewegen, hat die neue EU-Kommission mit 32,14% einen noch schlechteren Frauenanteil als die vorhergehende.

Fazit: Das ist zu wenig

Junckers Versprechungen mussten in vielen Punkten jetzt schon revidiert werden. Die europäischen Sozialdemokrat*innen haben viele inakzeptable Nominierungen durchgewunken, um ihren eigenen Wackelkandidaten Moscovici durchzubringen. Die Politisierung der Kommission darf nicht bedeuten, dass über offensichtliche Interessenkonflikte und Grundrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten hinweggesehen wird.
Deshalb lehne ich diese Kommission ab.

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

Ein Kommentar

  1. 1

    Vielen Dank, daß Du gegen diese Kommission gestimmt hast.
    Was Juncker und Schutz hinter verschlossenen Türen abmachen geht gar nicht.
    Weiter so.