Eigentlich sollte der Rat der EU heute seine Verhandlungsposition zur umstrittenen Urheberrechtsrichtlinie festlegen. Doch es kam anders: Die Mitgliedstaaten konnten sich auf keine gemeinsame Verhandlungsposition einigen. Damit steht der Rat vor der eigentlich für kommenden Montag geplanten letzten Verhandlungsrunde mit dem Europaparlament ohne eine Position zu den kontroversesten Aspekten der Reform da und muss den Trilog absagen. Gescheitert ist die heutige Einigung sowohl an Artikel 11, dem geplanten europaweiten Leistungsschutzrecht für Presseverleger, als auch an Artikel 13, der Plattformen zum Einsatz von Filtern zwingen würde, um den Upload von urheberrechtlich geschützten Inhalten von vorn herein zu verhindern.
Sage und schreibe 11 Mitgliedstaaten haben sich gegen den Kompromissvorschlag der rumänischen Ratspräsidentschaft ausgesprochen, den diese vor einigen Tagen vorgestellt hatte: Neben Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Finnland und Slowenien, die bereits eine frühere Version der Richtlinie abgelehnt hatten, stimmten auch Italien, Polen, Schweden, Kroatien, Luxemburg und Portugal gegen das Verhandlungsmandat. Abgesehen von Portugal und Kroatien sind alle diese Länder für eher kritische Positionen zu Artikel 11 oder 13 bekannt, weil sie die Rechte der Internetnutzer*innen nicht hinreichend geschützt sehen. Derweil mehren sich auch aus den Reihen der Rechteinhaber, die eigentlich Nutznießer der Reform sein sollen, die Stimmen, die mit Artikel 13 lieber doch nichts zu tun haben wollen.
Diese überraschende Wendung im Drama um die Urheberrechtsreform bedeutet noch nicht das Ende von Leistungsschutzrecht und Uploadfiltern. Es ist aber ein ganzes Stück unwahrscheinlicher geworden, dass die Verhandlungen über die Urheberrechtsrichtlinie noch vor den Europawahlen im Mai zu einem Abschluss kommen. Die rumänische Ratspräsidentschaft kann jetzt erneut versuchen, die nationalen Regierungen auf eine gemeinsame Position einzuschwören, die von einer qualifizierten Mehrheit mitgetragen ist. Aber da die Kritik inzwischen aus entgegengesetzten Lagern laut wird, ist das keine leichte Aufgabe.
Das Ergebnis der heutigen Ratssitzung zeigt auch: Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Gefahren der Urheberrechtsreform zeigt Wirkung. In den nächsten Wochen darf der öffentliche Druck nicht nachlassen, dann haben wir die Chance, die schädlichsten Elemente der Urheberrechtsreform endgültig abzulehnen.
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.
Glückwunsch zum Zitat bei Zeit Online! :-)
https://www.zeit.de/digital/internet/2019-01/eu-urheberrecht-reform-leistungsschutzrecht-trilog-verhandlungen-gescheitert
Und danke für den informativen Blogpost!
Würde künftig eine generische Überschrift wie „Unfall in x“ bereits als geschützt gelten? Zeitungen Jahre zuvor könnten solche Überschriften bereits verfasst haben und User könnten durch Nachdenken zur gleichen Überschrift gelangen, ohne sich die Überschrift bei einer Zeitung vorher abgeschaut zu haben. Im deutschsprachigen Urheberrecht steht so etwas wie „Originalität“ oder „Eigentümlichkeit“ eines Werkes, eine „geistige Schöpfungshöhe“, die für einen Urheberrechtsschutz erforderlich ist.
Wenn wir die grundlegende Haltung weiterspinnen, was wäre dann mit Code-Snippets? Tausende Programmierer können, ihre Lösung gebunden an und limitiert durch das Frameworks, das sie verwenden, zur gleichen Art und Weise der Umsetzung gelangen. Der Code kann sogar identisch sein und aus einer bis zu ein paar Zeilen bestehen. Auch dabei käme wieder die Schöpfungshöhe in Betracht aber wem sollte ein Copyright zuerkannt werden? Was würde Github mit den Code-Fragmenten machen, die geändert und unverändert, unter verschiedene Lizenzen gestellt werden?
Hallo Gerald, da Artikel 11 kein Urheberrecht sondern ein Leistungsschutzrecht etabliert, wo es nicht um den Schutz von Kreativität, sondern von Investitionen geht (es wird ja dem Verleger gewährt, nicht dem Autor), gilt tatsächlich keine Schöpfungshöhe – die einzige aktuell vorgesehene Hürde für eine Rechtsverletzung ist, dass mehr als „einzelne Wörter“ wiedergegeben werden. Im EU-Parlament wurde letzten September eine Alternative zur Abstimmung gebracht, die explizit reine Fakten, wie dein Beispiel „Unfall in X“, vom Schutz ausgenommen hätte – das fand allerdings keine Mehrheit. Daher muss man davon ausgehen, dass auch die Wiedergabe solch generischer Überschriften einer Zustimmung des Verlages bedürfte bzw. andernfalls klagbar wäre.
Code fällt nicht unter Artikel 11 – es geht explizit um Nachrichteninhalte.