Die geplante EU-Urheberrechtsreform bedroht, wie freie Software heute entwickelt wird.
Der Kampf um die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie geht weiter. Die Hauptsorge: Uploadfilter. Kurz zusammengefasst sollen Internetplattformen gezwungen werden, die von ihren Nutzer*innen hochgeladenen Inhalte mit automatisierten Filtern auf Verstöße gegen Urheberrechte zu überprüfen: Was mit dem Urheberrecht in Konflikt stehen könnte, darf gar nicht erst online gehen.
Heutzutage besteht ein Großteil unserer Kommunikation online aus Uploads auf Plattformen. Uploadfilter haben viel breitere Auswirkungen, als die meisten Politiker*innen ahnen. Unter anderem sind auch Kollaborationsplattformen für freie und Open-Source-Software (FOSS) betroffen. Hier arbeiten tausende Menschen gemeinsam an Software, die für alle frei verwendbar und veränderbar ist. Fehlerhafte Löschungen sind garantiert, weil Filtern das Verständnis für die freien Lizenzen fehlt, die in der FOSS-Welt eingesetzt werden, und automatisierte Löschungen das Prinzip der Unschuldsvermutung auf den Kopf stellen.
Die gute Nachricht: Die Proteste der FOSS-Community finden bei den Gesetzgebern Gehör. Die schlechte: Sie ziehen bisher die falschen Schlüsse daraus. Das sollte der FOSS-Community Motivation sein, weiter für die Abschaffung von Uploadfiltern einzutreten!
Die Hintergründe des Gesetzesvorschlags
Den Anstoß für den Gesetzesvorschlag lieferte ein Streit zwischen Großkonzernen – der Musikindustrie auf der einen, und YouTube auf der anderen Seite – über das liebe Geld. Musikkonzerne beklagen, dass sie von Videohostern wie YouTube weniger Geld erhalten, wenn ihre Videos abgespielt werden, als von Streaming-Abodiensten wie Spotify. Die Differenz haben sie „Value Gap“ (‚Verwertungslücke‘) getauft. Ihr Lobbyismus stieß bei der Europäischen Kommission auf offene Ohren: Das Uploadfilter-Gesetz soll ihnen als Druckmittel bei Verhandlungen mit Google dienen. Alle anderen Plattformen, die ebenfalls von dem Gesetz betroffen sind, geraten zwischen die Fronten – darunter auch Entwicklungsplattformen und deren Nutzer*innen.
Das Lobbying war so erfolgreich, dass inzwischen viele Gesetzesgeber davon ausgehen, dass jede Plattform, die profitorientiert Inhalte hostet, die ursprünglichen Urheber*innen dieser Inhalte ausbeutet.
Code-Sharing
Tatsächlich gibt es viele Beispiele, wo das Gegenteil der Fall ist. Auf Plattformen wie GitHub laden Programmierer*innen freiwillig Inhalte hoch, weil sie ihren Nutzern einen Mehrwert bieten. GitHub ist zwar ein profitorientiertes Unternehmen, das aber auch gemeinnützig tätig ist. Das kostenlose Hosten von Open-Source-Software wird durch die Gebühren finanziert, die kommerziellen Nutzern verrechnet werden. Auf diese Weise werden gemeinnützige und frei lizensierte Projekte von einem Gesetz betroffen sein, das eigentlich in einen Streit unter Großkonzernen eingreifen soll.
Github ist sich der drohenden Gefahr bewusst und nennt in einem Blogpost drei Gründe, warum Uploadfilter schädlich sind:
- Programmcode fällt unter die Filterverpflichtung, weil er standardmäßig urheberrechtlich geschützt ist – dass sich viele Entwickler*innen bewusst für offene Lizenzen entscheiden, wurde nicht mitgedacht.
- Filter-Fehlurteile sind sehr wahrscheinlich, da unterschiedliche Teile eines Softwareprojekts unter unterschiedliche Lizenzen fallen können, aufgrund der Komplexität, der zahlreichen Querverweise und der vielen Mitwirkenden.
- Die Verpflichtung, Code im Zweifelsfall löschen zu müssen, könnte verheerende Konsequenzen für Software-Entwickler*innen haben, die auf die fälschlich entfernten Softwarekomponenten aufgebaut haben.
Zeigen die Appelle Wirkung?
In seinem jüngsten Entwurf schlägt der Europarat vor, „nicht-gewerbliche Open-Source-Software-Entwicklungsplattformen“ von der Verpflichtung zum Einbau von Uploadfiltern auszunehmen. Dieser Vorstoß muss auf den Protest der FOSS-Community zurückzuführen sein. Jedoch würde eine solche Ausnahme profitorientierte Plattformen wie Github nicht schützen, und daher viele gemeinnützige Softwareprojekte nach wie vor fehleranfälligen Filtern unterwerfen.
Dieser Vorschlag ist nur der letzte in einer langen Reihe von Ausnahmen, mit denen die Proteste gegen diesen Gesetzesvorschlag ruhiggestellt werden sollen. Statt das Grundprinzip zu hinterfragen, soll jedes Mal, wenn die katastrophalen Auswirkungen von Uploadfiltern für einen bestimmten Bereich demonstriert werden, eine ganz spezifische Ausnahme alles wieder in Ordnung bringen. Die Erstellung einer solchen Liste ist die reinste Sisyphosarbeit – es wird bestimmt nicht gelingen, alle Nebenwirkungen vorauszusehen und auszuschließen.
Uploadfilter müssen in ihrer Gesamtheit als unverhältnismäßige und grundrechtsfeindliche Maßnahme abgelehnt werden.
You can do it!
Wir brauchen eure Hilfe, damit das auch alle Abgeordneten verstehen. Die FOSS-Community ist groß und hat mehr politische Macht und Verbündete im Parlament, als ihr bewusst ist. Wir haben schon gezeigt, dass wir Veränderung herbeiführen können – nur dieses Mal wollen wir nicht missverstanden werden. So kannst du jetzt sofort mithelfen:
- Unterschreibt den offenen Brief auf SaveCodeshare.
- Benutzt das kostenlose Tool von Mozilla, um eure Abgeordneten anzurufen.
- Schickt den verantwortlichen Abgeordeten im Rechtausschuss einen Tweet mit FixCopyright.
Technische Schlussbemerkung:
- In diesem Gesetzgebungsverfahren mischen drei EU-Institutionen mit. Die Kommission hat das Thema mit einem Gesetzesentwurf auf die legislative Agenda gebracht. Zu diesem Entwurf dürfen sowohl das Parlament als auch der Rat (also die Regierungen der Mitgliedsstaaten) Änderungen vorschlagen. Im Parlament wird der Entwurf im Rechtsausschuss von einer Untergruppe an Abgeordneten diskutiert, die gemeinsam einen Kompromiss ausarbeiten. Daraufhin wird der Rechtsausschuss über den Kompromiss abstimmen. Wird der dann auch noch vom gesamten Plenum des Parlaments bestätigt, finden Verhandlungen mit anderen Institutionen statt. Der exakte legislative Prozess kann hier nachvollzogen werden.
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.