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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Thema WLAN-Störerhaftung im Fall McFadden zeigt: Keine Digitalstrategie kommt daran vorbei, die Probleme des Urheberrechts anzugehen.

Noch gestern hat Kommissionspräsident Juncker uns versprochen, bis 2020 werden alle europäischen Städte und Dörfer mit freiem WLAN versorgt. Heute macht die Komplexität des Urheberrechts diesem Plan bereits einen Strich durch die Rechnung.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass Rechteinhaber einstweilige Verfügungen gegen Betreiber freier WLANs erwirken können, die diese zur Absicherung des Netzwerks mit einem Passwort zwingen. Das kann nicht nur Privatpersonen treffen, sondern auch kommerzielle oder von öffentlicher Hand betriebene Access Points, wie die Kommission sie nun fördern will – doch das steht den erklärten Zielen der Aktion entgegen.

An genau solchen Anforderungen scheitert die Versorgung mit freiem WLAN in Deutschland seit Jahren, zuletzt hat sogar die Bundesregierung mit einer weitgehenden Abschaffung der so genannten Störerhaftung reagiert. Leider hat der EuGH es versäumt, die verbleibende Rechtslücke im deutschen Gesetz zur Störerhaftung zu schließen: Provider können demnach weiterhin unter Umständen zur Zahlung von Abmahnkosten verpflichtet werden. Es bleibt abzuwarten, ob nach dem Urteil auch in Deutschland Gerichte wieder eine Pflicht zum Passwortschutz von WLANs verhängen können. Damit würde die hart erkämpfte Reform der Störerhaftung unterlaufen.

wifi4euEU-Kommissionspräsident Juncker hatte gestern eine Initiative zur Förderung freier WLANs an öffentlichen Orten angekündigt. Erklärtes Ziel dieser Initiative ist es, unter anderem demographischen Gruppen wie Geflüchteten Zugang zum Internet zu verschaffen, denen er sonst erschwert wird. In den Werbematerialien der Kommission wird es eindeutig als passwortfreies WLAN angepriesen. Wenn das freie WLAN nicht nur kostenfrei, sondern auch barrierefrei sein soll, kann ein Passwortschutz keine Lösung sein. Gerade von Geflüchteten, die ihre Identität oft nicht nachweisen können, kann man keine Registrierung verlangen, um ein öffentliches WLAN zu nutzen. Alles andere wäre Etikettenschwindel.

Wir brauchen eine sichere Rechts-Grundlage für freie, offene WLANs
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Ich bedaure, dass der Europäische Gerichtshof der Ansicht des Generalanwalts nicht gefolgt ist. Dort hieß es noch, die die Verpflichtung zur Absicherung von WLANs sei ein ein unverhältnismäßiges Hindernis für das wichtige Ziel der Versorgung der Bevölkerung mit Internetzugang. Der gesellschaftliche Nutzen freier WLANs überwiegt mögliche Risiken für Rechteinhaber bei Weitem.

Anstatt, wie in der gerade von Kommissar Oettinger vorgelegten Urheberrechtsreform, Provider noch stärker für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich zu machen, müssen wir den entgegengesetzten Weg gehen und eine sichere Rechtsgrundlage für den Betrieb freier, offener WLANs schaffen.

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

5 Kommentare

  1. 1

    Es zeugt schon von einer feinen Ironie, den barrierefreien anonymen Zugang zu W-Lans zu fordern, und gleichzeitig für den Kommentar dieses Artikels verpflichtend Name und E-Mail Addresse zu verlangen.

    In diesem Sinne,

    SH

  2. 2
    Volker Rieck

    Guten Tag Frau Reda,

    Ich habe eine Frage zu dem Kommentar zum heutigen Urteil des EUGH.

    „Der gesellschaftliche Nutzen freier WLANs überwiegt mögliche Risiken für Rechteinhaber bei Weitem.“

    Ich denke so einen Satz schriebt man sicherlich nichts in Blaue. Bestimmt haben Sie in welcher Form auch immer Erkenntnisse zum gesellschaftlichen Nutzen und auch Erkenntnisse zu den Risiken.
    Diese würde ich gern erfahren und auch, warum das Eine das Andere überwiegt. Wie misst man das?

    Etwas verwundert bin ich über die Äußerung der EuGH müsse Rechtslücken schließen.
    Bislang ging ich davon aus, dass der Gesetzgeber Gesetze erlässt, die Justiz diese anwendet und allenfalls interpretiert und nur in ganz geringem Maße Rechtsfortschreibung macht, in keinen Fall aber Rechtslücken schließt. Wie ist die Aussage daher zu verstehen?

    Danke für eine Antwort.

    Volker Rieck

    • Justus Römeth

      Sehr geehrter Herr Rieck,
      Frau Reda bat mich, Ihnen untenstehende Antwort zukommen zu lassen (sie ist zur Zeit unterwegs).
      Freundliche Grüße,
      Justus Römeth

      Lieber Herr Rieck,
      es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, Ihren Kommentar noch freizuschalten. Sie können sich sicher vorstellen, wie viel diese Woche los ist, deshalb kann eine Antwort etwas länger dauern als sonst.
      Zu Ihrer ersten Frage: Der EuGH interpretiert europäisches Recht, nicht deutsches Recht. Das deutsche Telemediengesetz, das die Störerhaftung für WLAN-Betreiber regelt, setzt die europäische E-Commerce-Richtlinie um. Wenn der EuGH eine europäische Rechtsnorm interpretiert (die E-Commerce-Richtlinie), kann dadurch durchaus eine Lücke in einem nationalen Gesetz geschlossen werden, wenn sich herausstellt, dass der deutsche Gesetzgeber die europarechtlichen Fragen nicht richtig interpretiert hat. Mit “Lücke” ist in diesem konkreten Fall gemeint, dass zwar in den Erklärungen rund um die zweite Reform des Telemediengesetzes, die von der großen Koalition als Abschaffung der Störerhaftung beworben wurde, klargestellt ist, dass WLAN-Inhaber nicht für die Kosten in Anspruch genommen werden sollen, die durch eine Unterlassungserklärung entstehen. Im Gesetzestext fehlt diese Klarstellung leider, aber es wird auch nicht das Gegenteil festgelegt – die Frage wird offen gelassen. Der EuGH hat diese Frage jetzt in seiner Interpretation der E-Commerce-Richtlinie so beantwortet, dass WLAN-Anbieter grundsätzlich für die Zahlung der Kosten einer Unterlassungserklärung in Anspruch genommen werden kann – das heißt, eine solche nationale Entscheidung wäre zumindest europarechtskonform. Wenn der EuGH entschieden hätte, dass eine solche Zahlungsverpflichtung nicht europarechtskonform ist, wäre die Unklarheit im deutschen Telemediengesetz automatisch beseitigt, so bleibt sie bestehen. Ich meine mit Regelungslücke nicht, dass das Telemediengesetz falsch ist, sondern dass es eine Frage offen lässt. Der EuGH hätte diese Frage durch seine Interpretation des Europarechts beantworten können, hat dies aber versäumt. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage. Natürlich geht es nie darum, dass ein Gericht durch sein Urteil neue Gesetze schreibt.
      Zu Ihrer zweiten Frage: Diese Aussage bezieht sich auf die Argumentation des Generalanwalts, der in seiner Stellungnahme zum McFadden-Urteil ausführlich dargelegt hat, warum der gesellschaftliche Nutzen freier WLANs die Risiken für Rechteinhaber bei weitem überwiegt. Dieser Stellungnahme schließe ich mich damit an. Ich dachte, ich hätte die Stellungnahme auch an entsprechender Stelle in der Pressemitteilung auch verlinkt gehabt, aber der Link wies ins Leere, das ist jetzt korrigiert:http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=175130&doclang=deIn den meisten Fällen folgt der EuGH der Stellungnahme seines Generalanwalts. In diesem Fall hat er das leider nicht getan.
      Viele Grüße und herzlichen Dank für Ihr Interesse,
      Julia Reda

  3. 3
    Thomas Elbel

    Der EuGH hat hier eine – wie ich finde – sehr gut vertretbare vermittelnde Position eingenommen, die die gegensätzlichen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich führt.

  4. 4
    Volker Rieck

    Guten Tag Frau Reda,

    Es wäre sicherlich etwas klarer gewesen, wenn sich die Passage auf den Text des Generalanwalts bezogen hätte mit Verlinkung.
    Aber auch nach intensivem Lesen des Papiers des Generalanwalts: Da steht nichts über den Nutzen und den Schaden sondern eine subjektive Meinung des Generalanwalts.

    Sie lautet:

    „149. Zum einen ist die Bandbreite der von vielen Personen genutzten öffentlichen WLAN-Netze verhältnismäßig begrenzt, so dass es dort nicht zu vielen Beeinträchtigungen von Rechten an urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen kommt(50). Zum anderen bieten WLAN-Hotspots zweifellos ein wichtiges Innovationspotenzial. Jede Maßnahme, die die Entwicklung dieser Tätigkeit bremsen könnte, ist deshalb im Hinblick auf ihren potenziellen Nutzen gründlich zu prüfen.“

    Diese subjektive Aussage wird am Ende sogar noch dadurch abgeschwächt, dass er quasi eine Prüfung empfiehlt.

    Daraus wird dann also in Ihrem Text eine Tatsache?!

    Ich persönlich denke, dass man weder den Nutzen noch den Schaden messen kann.
    Umso erstaunlicher fand ich daher die Aussage, dass der Nutzen den Schaden überwiegt.
    Dazu müsste man beides messen, was ja wie gesagt kaum möglich ist.
    Als Begründung taugt es daher leider nicht.