Zwei Jahre nach meiner Wahl ins Europäische Parlament und kurz vor dessen Sommerpause ist der perfekte Zeitpunkt, um auf meine Lobbytreffen in den letzten zwei Jahren zurückzublicken und zu untersuchen, ob sie auch ausgewogen waren.
Als ich zur Berichterstatterin für die Evaluation des EU-Urheberrechts ernannt wurde, fluteten Anfragen von Lobbyist*innen meinen Posteingang. Es war mir von Anfang an wichtig, die verschiedenen Interessensvertreter*innen ausgewogen anzuhören – darunter auch Autor*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Forscher*innen und viele weitere Organisationen. Ich wollte nicht, dass die Interessen der finanzstarken Unternehmenslobby überproportional Beachtung finden, denn gerade dieser ist es ein Leichtes, an EU-Politiker*innen heranzutreten.
Um der Öffentlichkeit einen detaillierten Einblick in all meine Treffen zu ermöglichen, haben wir das Projekt LobbyCal ins Leben gerufen, welches inzwischen schon von vielen meiner Kolleg*innen benutzt wird.
Wen ich getroffen habe
Um es einfach zu machen, die 167 Treffen von mir oder meinen Mitarbeiter*innen mit Lobbyorganisationen zu analysieren, können die Daten im maschinenlesbaren Format heruntergeladen werden. Da ich zu jedem Treffen den Eintrag der entsprechenden Organisation im offiziellen Lobby-Transparenz-Register der EU verknüpfe, konnte ich diese Übersicht nach Kategorien erstellen:
[visualizer id=“5656″]Um eine derartige Analyse zu ermöglichen, ersuche ich alle Organisationen, die sich mit mir treffen möchten, sich im Transparenz-Register zu registrieren, selbst wenn das noch nicht verpflichtend ist. Es trägt nicht nur zu mehr Transparenz in Gesetzgebungsverfahren bei, sondern hilft sowohl Bürger*innen als auch den Politiker*innen selbst dabei, die Ausgewogenheit der Lobbykontakte zu überprüfen.
Doch Transparenz allein ist nicht genug, um diese Ausgewogenheit zu gewährleisten. Wie wir hier sehen können, finden viele Treffen mit Vertreter*innen der Wirtschaft statt. Diesen stehen viel mehr Ressouren zur Verfügung, um europäische Gesetzgebungspozesse intensiv zu verfolgen und sich wiederholt um Treffen zu bemühen. Viele Menschenrechtsorganisationen und andere NGO sind dazu gar nicht in der Lage. Um dem Sorge zu tragen, versuche ich eine möglichst vielfältige Gruppe von Organisationen zu treffen.
Ich verschlagworte auch jedes Treffen mit den jeweils besprochenen Themen. Hier ist eine Visualisierung dieser Inhalte – wenig überraschend war das Urheberrecht das häufigste Gesprächsthema, dicht gefolgt vom Kommissionsprojekt, einen „Europäischen digitalen Binnenmarkt“ (Digital Single Market/DSM) zu gewährleisten.
Warum LobbyCal wichtig ist
Im Jahr 2014 hat die Grünen/EFA-Gruppe Transparenz und Demokratie als eines ihrer Ziele für diese Legislaturperiode ausgewählt, wobei auch das Thema der Lobbytransparenz eine große Rolle spielt. Des Weiteren haben viele MdEPs vor ihrer Wahl ein Anti-Korruptions-Versprechen unterschrieben und sich verpflichtet, selbst als Vorbild für Transparenz, Verantwortung und Integrität voranzugehen. Die Benutzung von LobbyCal ist eine der einfachsten Möglichkeiten, dieses Versprechen zu halten.
Seit ich das Projekt zusammen mit der Grünen/EFA-Gruppe gestartet habe, benutzen es auch 32 meiner Kolleg*innen. Selbst MdEPs aus anderen politischen Gruppen denken nun über den Gebrauch von LobbyCal nach. Wir begrüßen das, denn genau das war unser Ziel: ein Werkzeug zu entwickeln, das jede*r benutzen kann um transparent und verantwortlich über Treffen mit Lobbyist*innen zu berichten. Aus diesem Grund haben wir die Verwaltung des Projektes Transparency International überlassen, die das Projekt nun für alle anbieten.
LobbyCal ist als Open-Source-Software auf Github (hier, hier und hier) verfügbar. Alle sind eingeladen, es nach eigenen Bedürfnissen anzupassen oder etwas zum Projekt beizutragen!
LobbyCal benutzen
Wenn das Tool eingerichtet ist, muss in der genutzten Kalendersoftware einzig und allein der virtuelle LobbyCal-Benutzer zu Treffen mit den Lobbyist*innen (mit-)eingeladen werden.
So demonstriert dieses Projekt, dass Transparenz keines höheren Verwaltungsaufwands bedarf.
Ich möchte nicht nur Politiker*innen zur Nutzung von LobbyCal ermuntern, sondern auch NGO und die Öffentlichkeit, so die Aktivitäten ihrer Abgeordneten im Europäischen Parlament zu verfolgen. Benutzt die Daten, analysiert sie, vergleicht sie und teilt uns mit, was ihr so findet!
Helft mit, eine zugänglichere, transparentere Demokratie selbstverständlich zu machen.
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.