Heute ist internationaler Aktionstag gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Zu den Gefahren von TTIP für die parlamentarische Demokratie könnt Ihr hier einen Vortrag von mir ansehen und hier habe ich die Folgen des EU-Kanada-Abkommens CETA für das Urheberrecht kommentiert. Der Text von CETA ist kürzlich an die Öffentlichkeit gelangt und soll als Blaupause für TTIP dienen.

Zum Aktionstag habe ich in Mainz auf der Kundgebung des Rheinland-Pfälzischen Netzwerks gegen TTIP gesprochen, das neben den Piraten und anderen Parteien auch vom DGB, dem BUND und attac mitgetragen wird. Hier das Transkript meiner Rede:

“Ich freue mich, dass ich heute in meiner Universitätsstadt Mainz über die Entwicklungen rund um TTIP im Europaparlament berichten kann. Was wir dort bei der Befragung der neuen Kommission hören mussten, beweist erneut, wie wichtig es ist, TTIP in die Öffentlichkeit zu bringen und den Protest auf die Straße zu bringen. Denn was die neue Kommission in Sachen TTIP plant, klingt alles andere als vielversprechend.

Vor zwei Tagen haben die europäischen Regierungen das Verhandlungsmandat von TTIP veröffentlicht. Was uns als großer Sieg für Demokratie und Transparenz verkauft wird, ist in Wahrheit nicht mehr als eine Beruhigungspille. Das Verhandlungsmandat, das da veröffentlicht wurde, ist keine 20 Seiten lang und es kursiert schon seit über einem Jahr als Leak im Internet. Die tausend Seiten Vertragstext, auf deren Basis vermutlich verhandelt wird und die wir kennen müssen, um die vollen Auswirkungen von TTIP diskutieren zu können, werden weiter geheim gehalten.

Diese Hinhaltetaktik zeigt, dass den europäischen Regierungen an einer echten offenen Diskussion wenig gelegen ist. Und auch die Europäische Kommission hat durch die Abweisung der Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA aus formalen Gründen gezeigt, dass sie neue Instrumente der direkten Beteiligung an europäischer Politik wohl nur so lange gutheißt, wie niemand versucht, sie in der Praxis zu nutzen.

Der internationale Protest am heutigen Aktionstag ist genau die richtige Reaktion darauf. Wenn man uns die Mittel für Widerspruch im Rahmen des Systems versagt, müssen wir zum nächst schärferen Mittel greifen. Wenn die Kommission unsere Unterschriften nicht will, muss sie nicht meinen, wir würden deshalb unseren Protest aufgeben. Nein, wir tragen unseren Protest auf die Straße, und wir lassen nicht locker, bis TTIP Geschichte ist.

Die neue Europäische Kommission hat eine neue Kultur der Offenheit versprochen. Kommissionspräsident Juncker hat bei seiner Bewerbungsrede die Veröffentlichung des Vertragstext von TTIP versprochen. Er sagte, wenn der Vertrag nicht veröffentlicht werde, müsse TTIP scheitern. Das einzige, was bislang leider gescheitert ist, ist Juncker an seinem Versprechen.

Als das Europaparlament die neue Handelskommissarin Cecilia Malmström vor zwei Wochen befragt hat, hat diese zwar vage Verbesserungen bei der Transparenz der Verhandlungen angekündigt, aber zur Veröffentlichung des Vertragstextes von TTIP hat sie kein Wort verloren. Schlimmer noch, sie hat sich hinter die Investitionsschutzklauseln gestellt, die es Unternehmen erlauben könnten, Schadensersatz zu fordern, wenn wir auf demokratischem Wege unsere Standards erhöhen, im Verbraucherschutz, im Umweltschutz oder im Datenschutz.

Juncker selbst hat die Investitionsschutzklauseln öffentlich abgelehnt. Seine Kommissarin Malmström hat sich in ihrer schriftlichen Antwort auf Fragen des Europaparlaments erst dieser Position angeschlossen, dann aber bekannt gegeben, dass die falsche Version ihrer Antworten verschickt wurde und sie die gefährlichen ISDS-Klauseln nun doch unterstützt. Eine Analyse des Word-Dokuments zeigt: Junckers Büro hatte die Ablehnung von ISDS in den Antworten hinzugefügt und Kommissarin Malmström hat sich nun öffentlich gegen diese Position des Kommissionspräsidenten gestellt und will die ISDS-Klauseln auch gegen öffentliche Proteste und harsche Kritik aus dem Europaparlament aufrecht erhalten. Das ist ein unglaublicher Vorgang!

Und auch was die Informationsfreiheit angeht, ist von Malmström wenig Gutes zu erwarten. Die NGO Access hatte über eine Informationsfreiheitsanfrage eine E-Mail von der US-Regierung erhalten, die nahe legt, dass Malmströms Büro die USA frühzeitig über die Pläne für eine europäische Datenschutzreform auf dem Laufenden gehalten hat. Auf die wiederholte Frage in der Anhörung vor dem Europaparlament, ob Malmström von diesen Kontakten wusste und was ihr Zweck gewesen sei, antwortete Malmström, sie nehme zu solchen “angeblichen geleakten E-Mails” nicht Stellung. Bei der besagten E-Mail handelte es sich natürlich um keinen Leak, sondern um ein von der US-Regierung auf eine rechtmäßige Informationsfreiheitsanfrage hin herausgegebenes Dokument. Mit Malmströms Respekt für Informationsfreiheit scheint es also auch nicht weit her zu sein.

Von der neuen Kommission können wir in Sachen TTIP also wenig Gutes erwarten. Malmström hat sich für Investitionsschutzklauseln und gegen echte Transparenz und Informationsschutzfreiheit positioniert. Und die Sozialdemokraten, die hier und in den Medien gerne die ISDS-Klauseln kritisieren und mehr Transparenz anmahnen, haben mit ihren Stimmen dafür gesorgt, dass Malmström das Amt der Handelskommissarin wird antreten können. Das ist absolut unverständlich und verantwortungslos. Die Regierungsparteien unterstützen den Kurs der neuen Kommission und bei dem kanadischen Handelsabkommen CETA hat sie uns ewig vertröstet, wir sollten mit der inhaltlichen Kritik doch warten, bis dessen Vertragstext vorliegt. Und nun, da dieser endlich vollständig öffentlich ist, heißt es, jetzt sei es für Änderungen zu spät, weil man sonst den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen gefährde. Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt für eine inhaltliche Kritik an CETA gewesen? So weit ich sehen kann, gab es den nie.

Ob TTIP, CETA oder TISA: Die Art, wie diese Handelsverträge abgeschlossen werden ist ein Instrument der Demokratieverhinderung. Allein schon deshalb müssen wir diese Verträge stoppen.

Es ist mir wichtig, noch einmal deutlich zu machen: Wir protestieren nicht aus Angst vor Amerika. Wir sind solidarisch mit den Menschen in den USA und Kanada, die diese Handelspolitik genauso wenig wollen wie wir. Gemeinsam streiten wir für Demokratie, für Transparenz und Mitbestimmung. Mit diesem internationalen Aktionstag stehen wir ein für eine offene und solidarische Handelspolitik. In Mainz, in Europa und überall auf der Welt.”

Titelfoto von Jakob Huber/Campact (cc) by-nc-2.0

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Ein Kommentar

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    Die fehlende Transparenz und das Zustandekommen ist für die vermeintliche Demokratieentwicklung innerhalb der EU ein Armutszeugnis. Alleine schon, dass anscheinend nicht klar ist, ob die nationalen Regierungen vom Urteil der Kommission abhängig sind, oder ob sie sich der Endfassung verwehren können spricht Bände und zeigt auch wie ernst den handelnden Politikern die aktive politische Mitbestimmung der Bürger ist.