Der Presse ist zu entnehmen, dass Bundesjustiz- und Familienministerium sich auf einen Gesetzesentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz geeinigt haben. Da mich das auch unmittelbar betrifft, habe ich den zuständigen Minister*innen einen Brief geschrieben.
Lieber Marco Buschmann,
Liebe Lisa Paus,
der Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt, um der Diskriminierung von trans Personen entgegenzuwirken und uns den Alltag zu erleichtern. Ich plane von der Möglichkeit zur Namens- und Personenstandsänderung so schnell wie möglich Gebrauch zu machen. Die Voraussetzungen für eine Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz erfülle ich nicht. Ich schreibe Ihnen, da der Referent*innenentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz zwar an vielen Stellen in die richtige Richtung weist, aber durch die geplante Dreimonatsfrist mich und viele andere trans Personen unnötig länger diskriminiert und gefährdet.
Schon seit mehr als einem Jahr verwende ich in allen Lebensbereichen – unter Familie und Freunden, in meiner politischen Arbeit und im Beruf – den Namen Felix. Derzeit befinde ich mich auf einer mehrwöchigen Reise durch die USA, die mich auch in ländliche, konservativ geprägte Teile des Landes führt. Dort hält man mich meist für einen jungen cis Mann, sodass ich trotz der sehr angespannten Lage für trans Personen relativ frei von Diskriminierung reisen kann.
Bei jedem Check-in in eine Unterkunft bin ich jedoch mit der Entscheidung konfrontiert, ob ich mich mit meinem Reisepass ausweise, in dem mein alter Name und das weibliche Geschlecht stehen, oder ob ich es mit dem dgti-Ergänzungsausweis versuche, aus dem ebenfalls hervorgeht, dass ich trans bin. Diskriminierung und Gewalt sind Gefahren, die ich bei jeder solchen Interaktion einkalkulieren muss, genau wie bei jeder Zahlung mit meiner Kreditkarte. Bei meiner ersten Übernachtung im Bundesstaat Virginia begegnete man mir mit soviel Feindseligkeit, dass ich noch nach Sonnenuntergang meine Sachen zusammengepackt und eine andere Unterkunft gesucht habe. Den Vorfall habe ich den lokalen Behörden gemeldet. Trotz der Diskriminierungserfahrungen setze ich meine Reise fort. Eine weitere derartige Reise werde ich aber nicht mehr antreten, bis ich neue Ausweisdokumente unter meinem richtigen Namen habe.
Die geplante Dreimonatsfrist vor Inkrafttreten einer Namens- und Personenstandsänderung wird ganz überwiegend nicht Personen treffen, die tatsächlich von mehr Bedenkzeit profitieren würden. Ganz überwiegend wird sie Menschen wie mich treffen, deren Transition in allen anderen Lebensbereichen bereits Monate, wenn nicht Jahre, zurückliegt. Menschen, denen die Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz entweder nicht offensteht oder die seit dem Urteil des Bundesverssungsgerichts von 2011, wonach eine gesetzliche Neuregelung verfassungsrechtlich geboten ist, auf eben diese Neuregelung warten. Drei Monate Wartezeit bedeuten drei weitere Monate Einschränkung unserer Freizügigkeit, drei weitere Monate Probleme mit Behörden, Banken oder IT-Systemen, die nicht auf unterschiedliche Ausweis- und Alltagsnamen eingestellt sind, drei weitere Monate, in denen die ungewollte Offenbarung unserer Identität als trans Personen uns der Gefahr von Diskriminierung und Gewalt aussetzt. Angesichts der Jahre, die viele Menschen bereits auf das Selbstbestimmungsgesetz warten, mögen drei weitere Monate nach einer kurzen Wartezeit klingen, aber jeder Tag zählt, wenn es darum geht, Menschen vor Gewalt oder Traumatisierung zu schützen, die sie schlimmstenfalls für den Rest ihres Lebens prägen wird. Bedenkzeit hatten wir mehr als genug.
Es ist nachvollziehbar, dass die Bundesregierung einem Missbrauch der niedrigschwelligen Namens- und Personenstandsänderung vorbeugen will. Die geplante Sperrfrist vor einer wiederholten Namens- und Personenstandsänderung ist aber mehr als ausreichend, um diesen Abschreckungseffekt zu erreichen. Ich kann Ihnen aus leidvoller Erfahrung versichern, dass die Diskrepanz zwischen Ausweisnamen und Alltagsnamen zu so vielen praktischen Problemen führt – sei es auf Reisen, bei Finanzgeschäften oder bei Behördengängen – dass die meisten Menschen aus ganz eigennützigen Gründen von einer leichtfertigen Namensänderung absehen werden, wenn sie wissen, dass sie diese ein Jahr lang nicht werden rückgängig machen können.
Indem Sie auf die überflüssige Dreimonatsfrist verzichten, schützen Sie nicht nur trans Personen wie mich, sondern Sie senden auch ein klares Signal an diejenigen, die das Selbstbestimmungsgesetz scheitern sehen wollen, dass Sie vollständig hinter Ihrem Reformvorhaben stehen. Wer sich sicher ist, das Richtige zu tun, der verschiebt es nicht um drei Monate.
Mit kollegialen Grüßen,
Felix Reda
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.