Der Widerstand gegen Artikel 13 und andere Aspekte der EU-Urheberrechtsreform ist beispiellos: Letztes Wochenende gingen bis zu 200.000 Menschen in ganz Europa auf die Straße. Gleichzeitig erreichte die Petition zum Thema den beeindruckenden Meilenstein von 5 Millionen Unterschriften. Wird der Protest im Europaparlament gehört werden?
Dienstag, der 26. März 12:30 MEZ ist der Moment der Wahrheit: Alle 751 Abgeordneten zum Europaparlament werden über die Richtlinie abstimmen. Die Abstimmung wird hier live im Stream mitzuverfolgen sein.
Hier die Details, was genau abgestimmt wird:
1. Das gesamte Gesetz kippen?
- Abstimmung über den weitreichendsten eingereichten Änderungsvorschlag: Die Ablehnung der gesamten Urheberrechtsrichtlinie (Änderungsantrag 266, EFDD-Fraktion)
Sollte dieser Vorschlag unter den anwesenden Abgeordneten eine Mehrheit erzielen, wird es keine Urheberrechtsreform geben. Das ist sehr unwahrscheinlich.
2. Änderungen erlauben?
Ein/e Abgeordnete/r wird beantragen, spezifische Änderungsvorschläge zur Abstimmung zu bringen, und dies in einer kurzen Rede begründen. Axel Voss wird dazu eine Gegenrede halten.
- Abstimmung, ob über Änderungsanträge abgestimmt werden soll
Erzielt dieser Vorschlag eine Mehrheit, geht es jetzt bei Punkt 3 weiter
Andernfalls bei Nr. 4B weiter unten
3. Abstimmungen über Änderungen
- Abstimmung, jene Teile der Richtlinie anzunehmen, für die niemand Änderungsvorschläge eingereicht hat – höchstwahrscheinlich erfolgreich
Danach werden die Abgeordneten über die einzelnen Änderungen abstimmen:
I. Artikel 11 – Leistungsschutzrecht
- Artikel 11 löschen? (Änderungsanträge 267+270, eingereicht von bzw. im Namen von 108 Abgeordneten)
- Andernfalls: Artikel 11 wie vorliegend beibehalten?
(Im unwahrscheinlichen Fall, dass keine der Optionen eine Mehrheit erzielt, wird Artikel 11 auf den Originalvorschlag der EU-Kommission von 2016 zurückgesetzt.)
II. Artikel 13 – uploadfilter
- Artikel 13 löschen? (Änderungsanträge 257+265+268+269 von/im Namen von 205 Abgeordneten)
- Andernfalls: Artikel 13 wie vorliegend beibehalten?
- Andernfalls: Umformulierung von Artikel 13 (Änderungsantrag 260, GUE-Fraktion) – höchstwahrscheinlich erfolglos
(Im unwahrscheinlichen Fall, dass keine der Optionen eine Mehrheit erzielt, wird Artikel 13 auf den Originalvorschlag der EU-Kommission von 2016 zurückgesetzt.)
III. Weitere Änderungen
- Einen Artikel zum Thema „Regressionsverbot“, sowie verschiedene neue Erwägungsgründe (erklärende Anmerkungen) einfügen? (Änderungsanträge 253-256 + 258 + 259 + 261, GUE-Fraktion) – nicht mit anderen Fraktionen abgesprochen, daher höchstwahrscheinlich erfolglos
- Aufräumen: Erwägungsgründe, die zu Artikel 13 gehören, löschen? (Änderungsanträge 262-264, verschiedene S&D-Abgeordnete)
4. Das Gesetz verabschieden
Wenn die obigen Abstimmungen den Text geändert haben (ein Vorschlag außer „beibehalten“ erzielte eine Mehrheit):
A. Mit änderungen verabschieden
- An dieser Stelle könnte Axel Voss eine Abstimmung beantragen, den Gesetzesentwurf zurück an den Rechtsausschuss zu verweisen, um ihm einen neuen Versuch zu ermöglichen, im Trilog einen Text zu verhandeln, der auch im Parlament eine Mehrheit erhält.
- Andernfalls: Abstimmung über das Gesetz mit den soeben gemachten Änderungen. Die Richtlinie wird dann an den Rat geschickt (in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten versammelt sind), der zwei Möglichkeiten zur Auswahl hat: Sich den Änderungen des Parlaments anzuschließen – dann ist das Gesetz endgültig angenommen – oder das nicht zu tun, und damit weitere Verhandlungen erforderlich zu machen.
- Andernfalls: Abstimmung über den ursprünglichen Kommissionsvorschlag von 2016 – sehr unwahrscheinlich
Sollten weitere Verhandlungen nötig sein, so finden diese frühestens im Herbst statt, da im Mai Europawahlen sind. Ihr Verlauf ist sehr schwer vorherzusagen, da sich die Zusammensetzung von Kommission und Parlament verändern wird.
Sollte das Parlament jedoch keine Änderungen erlauben oder die Abstimmungen über die Änderungsvorschläge am Ende keine Veränderungen ergeben (die „Beibehalten”-Optionen gewinnen und kein anderer Vorschlag kommt durch):
B. unverändert verabschieden
- Abstimmung, das Gesetz unverändert zu verabschieden (Änderungsantrag 271, Rechtsausschuss)
- Zuletzt wird es noch eine Abstimmung geben, offiziell ein Statement der EU-Kommission zur Kenntnis zu nehmen, in dem sie verspricht, sich mit der Idee eines neuen Schutzrechts für Sportveranstalter auseinanderzusetzen (Änderungsantrag 272, Voss/Rechtsausschuss) – das Parliament hatte vorgeschlagen, ein solches neues Schutzrecht zur Reform hinzuzufügen, die Idee wurde dann jedoch im Trilog fallen gelassen.
Der endgültig letzte Schritt ist dann die Verabschiedung des Gesetzes im Rat, die vermutlich für den 9. April angesetzt wird. Würde Deutschland hier seine Unterstützung zurückziehen, wie es der Position von Justizministerin Barley entsprechen würde, wäre eine Mehrheit im Rat unwahrscheinlich – auch dann würde es also im letzten Moment noch zu weiteren Verhandlungen nach den Europawahlen kommen.
Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.